Meine kleine Geburt: Was mir durch diese Zeit geholfen hat

Wir haben im fünften Monat unser Baby ziehen lassen müssen. Es hatte eine Chromosomenanomalie und war so schwer betroffen, dass es bald im Mutterleib verstorben wäre. Wir haben uns schlussendlich für eine Geburtseinleitung entschieden. Da dies häufiger vorkommt, als den meisten bewusst ist, auch, weil es nach wie vor mit einer Tabusierung einhergeht, möchte ich gern mit dir teilen, was mir in dieser Zeit gut geholfen hat.

 

Ich nutze hier den Begriff kleine Geburt synonym für Fehlgeburt, stille Geburt, Totgeburt, mit Einleitung oder ohne. Die Geburt eines lebenden Kindes bezeichne ich als große Geburt.

 

Alle Illustrationen in diesem Beitrag stammen von der großartigen Fine bei Matrosenhunde.

 

Bücher & Web

Zuerst habe ich mich auf Das Ende vom Anfang gestürzt. Eine Seite, auf der es viele Berichte von Frauen über ihre kleinen Geburten gibt. Ich habe die Seite schon vor meiner Schwangerschaft verfolgt und war nach der Diagnose froh, mich hier belesen zu können.

 

Das Buch von Natascha Sagorski Jede dritte Frau ist ebenfalls eine umfängliche Sammlung von Berichten von 24 Frauen sowie einem Mann. Natascha ist außerdem die Initiatiorin der Petition für gestaffelten Mutterschutz nach Fehlgeburten. Auch ich hätte gerne Mutterschutz gehabt. So muss ich mich nun immer wieder um Verlängerungen meiner Krankeschreibungen und ein potenzielles Datum zu einer Rückkehr an den Arbeitsplatz kümmern.

 

Es hat mir sehr geholfen, meine Gedanken und Gefühle mit Hilfe all dieser Berichte zu ordnen, nachdem wir die Diagnose erhalten hatte. Außerdem hat es meine Ideen zur Entscheidungsfindung konkreter gemacht, weil ich die verschiedenen Wege der Geburtsmöglichkeiten aus persönlichen Erfahrungen gehört habe.

 

Bitte nicht wundern, auch das Buch Hebammensprechstunde von Ingeborg Stadelmann war mir eine gute Ressource, da hier ebenfalls über kleine Geburten informiert wird. Außerdem habe ich mich ja auf eine Geburt, wenn auch eine kleine, vorbereitet und es war hilfreich, über die Vorgänge im Körper in Bezug auf dieses Ereignis sowie danach Bescheid zu wissen. (Bei einer kleinen Geburt gibt es je nach Schwangerschaftsalter fast alles, was es bei einer großen auch gibt: Wehen, Geburtsphasen, Milcheinschuss, eine Plazenta, Wochenfluss & ggf. Geburtsverletzungen bei größeren Babies).

 

Übrigens: Nach jeder Geburt, den kleinen wie großen, steht dir Hebammenhilfe zu. Wie dankbar ich dafür war! Auch wenn du schon eine Diagnose hast, aber noch keine Hebamme, kannst du trotzdem welche kontaktieren, denn die Hebamme kann das über die Krankenkasse ganz normal abrechnen. Scheu dich nicht, dies in Anspruch zu nehmen. Sowohl zur Vorbereitung und noch mehr danach, war meine Hebamme für mich wirklich unersetzlich.

 

Für alle, die auch englische Bücher lesen, empfehle ich das echt umfangreiche Buch von Pippa Vosper Beyond Grief. Es befasst sich mit den verschiedenen Phasen: der Verlust selbst, wie es unmittelbar danach weitergeht und auch in weiterer Zukunft. Außerdem geht Pippa auf Ursachen, auftretende Gefühle, Partner, Folgeschwangerschaft und vieles mehr ein.  Es ist gespickt mit Erfahrungsberichten von Frauen und zusätzlich ihrer eigenen Geschichte, anhand derer sie die verschiedenen Phasen nach der Geburt beschreibt.

 

Gespräche führen oder hören

Mein Frauenarzt gab uns die Nummer einer Trauerbegleiterin. Sie ist hauptsächlich in der Familien- und Schwangerenberatung und im Verein für frühverwaiste Eltern Erfurt tätig. Wir haben uns mit ihr über die Optionen zu Abbruch oder Weiterführung, Bestattung und den damit einhergehenden rechtlichen Themen beraten. Außerdem war hier Platz für Gefühle und andere Gedanken zum Thema, das war hilfreich beim Sortieren in Kopf & Herz.

 

Sie war uns zudem eine großartige Unterstützung bei der Organisation, unser Kind hier in Erfurt im Sammelgrab bestatten lassen zu können. Informier dich über solche Angebote in deiner Stadt. Die Schwangerenberatungen sind auch bei Schwangerschaftsverlust eine gute Anlaufstelle, auf die ich selbst nicht gekommen wäre. Der Name selbst läd in einer solchen Situation ja auch nicht unbedingt dazu ein.

 

Es mag banal klingen, doch für mich waren auch Familie und Freunde eine großartige Ressource. Ich kann dich nur ermutigen: Teil deine Gedanken, deinen Schmerz und deine Wut. Natürlich, nicht jeder Mensch findet sofort die richtigen Worte oder weiß, mit Trauer gut umzugehen. Das scheint ein generelles Phänomen unserer Gesellschaft zu sein. Doch es kann dir guttun, über das Erlebte und dein Kind zu sprechen. Auch die Alltagstätigkeiten, wie beispielsweise Einkaufen und Kochen können in so einer Zeit (wie auch bei einer großen Geburt) gut ausgelagert werden.

 

Für Menschen, die das hier lesen und selbst nicht betroffen sind: Bietet aktiv Dinge an. Für mich war es viel leichter, einfach Ja zu sagen, als selbst um etwas zu bitten. Also, ruhig die direkte Frage: Brauchst du etwas vom Supermarkt/ aus der Apotheke/ Drogerie? Wollen wir spazieren gehen? Soll ich auf einen Tee vorbeikommen, möchtst du Gesellschaft? Möchtest du, dass ich dich zum Termin XY begleite? Ich kann dich fahren/ deinen Krankenschein abholen/ die Arbeit informieren. Wollen wir zusammen deine Kliniktasche packen/ die Babysachen wegräumen/ Abendbrot essen?

Okay, you know what I mean. Ich kann hier natürlich nicht für alle sprechen, aber mir hat es das extrem erleichtert.

 

Die Hypnose von Dr. Dorothee Struck darf an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben. Ich habe auch ihre beiden Hypnosen für Kinderwunsch und Schwangerschaft gehört und wusste sofort, dass mir ihre kostenlose Hypnose zur Vorbereitung auf eine stille Geburt helfen würde. Tat sie auch. Einfach 20 Minuten Entpspannung und dabei noch auf eine so schwierige Geburt vorbereiten. Was für eine großartige Kombination.

 

Auch eine Form von Gesprächen, wenn auch eher eine passive, sind Podcasts. Ich bin zwar nicht so der große Poddi-Mensch, aber einzelne Podcasts wie beispielsweise die Folge Fehlgeburten & Sternenkinder beim Podcast MamaLauda, die von zwei Hebammen begleitet wurde oder auch beispielsweise Invisible Loss waren für mich als Informationsquelle dienlich.

 

Tee, Öl & ne Hebamme

Meine Hebamme hat mich im Wochenbett regelmäßig besucht. Einmal hat sie mir den Bauch mit einem Wochenbett-Öl massiert, dessen Geruch ich wunderbar fand. Darauf bin ich hängen geblieben und hab mir direkt eine Duftlampe gekauft. Du kannst auch einen Duft-Roll-On kaufen oder ein Raumspray. Im o.g. Buch von Ingeborg Stadelmann gibt es Tipps für Aromamischungen zu unterschiedlichen Anlässen. Ich habe mit den Mischungen Trennungsschmerz und Bergamotte-Neroli angefangen und kann nur sagen: hilft mir top zur Entspannung! Klingt für die ein oder andere vielleicht erstmal seltsam, aber mir hat es geholfen, aktiv meine Entspannungssequenzen einzuleiten und mit Tee und Buch auf der Couch zu liegen. Wenn auch eher nach der Geburt. Aber du bist ja jetzt vielleicht vorbereitet und kannst das zum Beispiel dann auch vor der Geburt nutzen und dein Entspannungsöl in die Klinik mitnehmen.

 

Ich sags dir, so ein Geruch kann echt viel bewirken, auch wenn es nicht die heimische Umgebung ist und Rückenmassagen zur Geburt haben mir gut hindurch geholfen. Beim nächsten Mal gibt’s da noch Öl drauf. Ich hatte Angst, dass mich der Geruch danach immer wieder direkt ins Krankenhaus katapultieren würde, deshalb hab ich es gelassen. Würde ich aber nicht nochmal. Ehrlich.

 

Mir hat außerdem Tee sehr gut geholfen. Zur Geburtsvorbereitung habe ich Himbeerblättertee getrunken und danach, diesen Rückbildungstee von Dr. Struck. Für mich ist es dann auch ein Ritual geworden, mir dreimal täglich Tee zuzubereiten. Als die Rückbildung abgeschlossen war, was genau mit den zwei Wochen übereinstimmte, die Dr. Struck für den Tee empfiehlt, bin ich umgesteigen auf Nestreinigungstee. Für mich ist die Teezubereitung zu einem festen Bestandteil geworden und ich habe dabei einfach das Gefühl, etwas Gutes und Unterstützendes für meinen Körper zu tun.

 

Etwas anderes, was ich ebenfalls täglich zu mir nehme ist die Bellis Perennis Urtinktur. Habe ich auch bei Dr. Struck gefunden. Nehme ich jeden Abend vorm Schlafengehen mit guten Gedanken. Mir hilfts. Ich weiß natürlich, dass Naturheilkundliches nicht jedermanns oder – fraus Sache ist. Ich bin jedoch der Meinung, selbst wenn es nur im Kopf hilft, hilft es doch.

 

Genau wie das Aufbaumittel nach Stadelmann, eine Empfehlung meiner Hebamme. Es ist einfach eine Zeit, in der du gut für dich und deinen Körper sorgen solltest. Ihr beide habt Priorität. Mir haben diese kleinen Dinge wirklich dabei geholfen, Selbstfürsorge zu betreiben. Genau wie Ruhe und nur das zu tun, was ich wollte. Ich bin dann wieder zum Yoga gegangen, nachdem die Rückbildung abgeschlossen war und ich mich wieder gut fühlte. Habe aber auch da nur so viel gemacht, wie ich konnte. Das Maß der Dinge bist an dieser Stelle (und auch an allen anderen) Du!

 

Zeit, Träume, Hoffnung & Mut

Das führt mich gleich zum nächsten Punkt: Zeit. In den meisten Fällen bleibt Frauen mehr Zeit, als sie denken. Wenn die Geburt nicht spontan beginnt, dann nimm dir Zeit. Wir konnten so viele Entscheidungen mitgestalten, dadurch, dass wir uns Zeit ließen. Das hilft natürlich immens bei der Verarbeitung: Denn, wenn man sich nicht ohnmächtig und ausgeliefert fühlt oder Menschen in empfindlichen Situationen doof zu einem sind, entsteht meiner Meinung nach auch einfach weniger Trauma.

 

Wir haben uns zum Beipsiel ein anderes Krankenhaus gesucht. Das in unserer Nähe ist ein Maximalversorger und entspricht für eine Geburt nicht meiner Vorstellung.

Wir sind am Ende ca. 45 Minuten außerhalb fündig geworden in einem kleinen Krankenhaus. Es war wirklich eine Wohltat dort zu sein, weil man sehr gut mit uns umgegangen ist. Es sind teilweise kleine und große Entscheidungen, die getroffen werden müssen. Wenn du dir die Zeit nehmen kannst, dann nimm sie dir. Auch nach der kleinen Geburt ist Zeit dein bester Freund. Körperlich und mental zu heilen, ist einfach unabdinglich.

 

Zudem ist die Vorbereitung im Kopf darauf, dass so eine Einleitung mehrere Tage dauern kann (bei mir waren es zwei), für mich gut gewesen. Wir hatten alles dafür vorbereitet, dass der Hund gut versorgt ist und alle Bescheid wussten.

 

Es mag sich aktuell absurd für dich anhören, doch du darfst nach vorne schauen und träumen. Irgendwann wirst du dies auch wieder hoffnungsvoll tun. Kinderwunsch bleibt Kinderwunsch. Und dein Kind, was nicht bleiben konnte, gönnt es dir, glücklich zu sein. Auch, wenn du ihm nicht helfen konntest. Ich kenne das Gefühl, sich zu fragen, ob es denn legitim ist, sich auf eine weitere Schwangerschaft einzustellen. Denn ich habe das Gefühl auch. Trotzdem möchte ich dich ermutigen, diese Gedanken in dein Denken zu holen. Du kannst nichts dafür was dir passiert ist, vergiss das nicht.

 

Zum Abschluss noch ein Satz meiner Hebamme, der auch dir als kleiner Orientierungspunkt dienen kann: Alles was dir hilft, ist in dieser Zeit richtig. 

 

Berichte doch gern von deinen Erfahrungen und hilf damit anderen. Was hast du erlebt und was hat dir dabei geholfen? Buchtipps, Tee, Menschen – erzähl!