Natural Cycles

Drei Monate mit Natural Cycles: Der Testbericht

Wie Ihr vielleicht wisst, war ich eher skeptisch, was die Verhütungs-App Natural Cycles betrifft. Nachdem sie jedoch vom TÜV zertifiziert wurde*, beschloss ich ihr eine Chance zu geben. Und so flatterte das Angebot, Natural Cycles kostenlos zu testen, gerade zur richtigen Zeit ins Postfach. Hier kommt nun mein Testbericht nach drei Monaten.

 
* Der TÜV hat lediglich die technischen Voraussetzungen und das Qualitätsmanagement von Natural Cycles getestet, aber keine Bewertung der Zuverlässigkeit der Verhütungsmethode getroffen.
 

Das Packaging und die Grundeinstellungen von Natural Cycles:

 

 

Ich mag schöne Dinge, und die Box, in der mir der Gutschein-Code, das Basalthermomter und die Kurzanleitung von Natural Cycles zugeschickt wurde, ist schön. Als erstes habe ich mir wie empfohlen die App aus dem Store heruntergeladen. Easy. Ich musste dann einige Grundeinstellungen vornehmen, zum Beispiel wie lang meine durchschnittliche Zykluslänge ist, wann meine letzte Periode war und ob ich schwanger werden oder verhüten möchte. Auch easy (ich möchte übrigens Letzteres). Solltet Ihr Daten wie Zykluslänge etc. nicht wissen, dann lasst Ihr die Eingabe einfach ausfallen. Zusätzlich habe ich noch mein Geburtsdatum, meine Größe und mein Gewicht eingegeben.

 

Die Temperaturmessung bei Natural Cycles:

 

Zur App gehört ein Basalthermometer, das auf Wunsch mitbestellt werden kann. Bei mir war es im Gratis-Testpaket dabei. Bei der ersten Messung sind mir gleich zwei Dinge aufgefallen: 1. das Thermometer misst wahnsinnig schnell – es dauert zirka 20 bis 60 Sekunden. 2. Das Thermometer misst nicht, so wie andere, weiter nachdem es gepiepst hat. Insofern bin ich mir in Sachen Regelkonformität nicht sicher, denn eigentlich sollte man mindestens drei Minuten messen, zumindest wenn es sich um ein normales Thermometer handelt. Da ich aber keine andere Möglichkeit hatte, habe ich mich also mit den kurz gemessenen Werten begnügt.

 

Natural CyclesDie nächste Unsicherheit kam dann bei der manuellen Übertragung des Temperaturwertes in die App: runden oder nicht runden? Regelkonform wäre zu runden. Ich habe mir Datenblätter von Natural Cycles angesehen und gemerkt, dass nirgendwo gerundet wurde. Also habe auch ich es sein lassen. Ein bisschen Bauchschmerzen hatte ich aber schon: Gleich zwei Faktoren, die nicht den wissenschaftlich korrekten Standards der symptothermalen Methode entsprechen.

 

Apropos: Den Zervixschleim könnt Ihr leider nicht in die App eingeben. Stattdessen wird die Verwendung von LH-Tests unterstützt (ich habe ebenfalls welche zugeschickt bekommen, sie aber nicht verwendet). Ich finde es total schade, dass nicht noch eine Eingabemöglichkeit für den Zervixschleim besteht – hier gibt es daher ein dickes Minus von mir an Natural Cycles.

 

Das Thermometer speichert übrigens Euren zuletzt gemessenen Wert, nur ein mal hat es bei mir nicht funktioniert. Außerdem würde ich mir für den satten Preis (26 Euro) eine Beleuchtung wünschen.

 

Das Design von Natural Cycles:

 

Natural Cycles

Die Temperatureingabe von Natural Cycles

Wenn Ihr die App startet, öffnet sich das Eingabefenster für die Temperatur. Hier könnt Ihr auch vermerken, ob Ihr Eure Periode habt, ob Ihr Geschlechtsverkehr hattet und ggf. wie Euer LH-Test ausgefallen ist. Danach werdet Ihr zur Startseite der App weitergeleitet, hier zeigt Euch ein großer Kreis Euren aktuellen Furchtbarkeitstatus: Grün für nicht fruchtbar, rot für fruchtbar. Oben links seht Ihr Eure eingegebene Temperatur, oben rechts kommt Ihr zu Temperaturkurve. Unter dem Kreis wird Euch eine kleine Vorschau auf die nächsten Tage gegeben, ob diese fruchtbar oder nicht fruchtbar sind. Hierbei handelt es sich natürlich nur um eine Prognose. Gleiches gilt für die Monatsansicht. Ihr habt außerdem die Möglichkeit, Euch Eure Temperaturwerte als Liste anzeigen zu lassen.

 

Ich finde den Aufbau der App sehr gelungen und übersichtlich. Mir fehlt jedoch die Funktion direkt von der Startseite einen Tag vor oder zurück zu blättern. Hierfür muss zunächst in die Monatsansicht gewechselt werden.

 

Natural Cycles

Clean und übersichtlich: Die Startseite

In der unteren Leiste kommt Ihr zu den Statistiken über Euren Zyklus, zu den Einstellungen und Nachrichten. Letztere habe ich als äußerst überflüssig empfunden: Tolle Arbeit diese Woche (einiges in der App ist noch ein wenig unglücklich aus dem Englischen übersetzt), Neue Errungenschaft: Eisprung, Du misst wirklich gut, Glückwunsch, Du bist jetzt ein Junior Cycler, Errungenschaft: 60 Prozent Grün. Als ich meinem Mann davon erzählte sagte dieser: „Vielleicht motiviert das einige“. Das mag stimmen. Mich aber hat es genervt. Natürliche Verhütung ist doch keine Leistung! Außerdem geht es nicht darum, möglichst viele grüne, also unfruchtbare Tage zu haben, sondern darum zuverlässig und sicher zu verhüten. Womit wir zum nächsten Punkt kommen:

 

Die Auswertung von Natural Cycles:

 

Zunächst die gute Nachricht: Natural Cycles hat mir alle drei Testzyklen regelkonform ausgewertet. Dabei habe ich gemerkt, dass die App im Hintergrund automatisch rundet, auch wenn sie die gerundeten Werte nicht anzeigt. Nun die schlechte: Im ersten Zyklus hat mir die App bereits die ersten 7 Tage am Zyklusanfang als unfruchtbar angezeigt, im zweiten die ersten 8 und im dritten sogar die ersten 9 (!) Tage. Das finde ich wirklich bedenklich. Nach der 5-Tage-Regel hätte mir im 1. Zyklus noch gar nicht am Zyklusanfang freigegeben werden dürfen, im 2. Zyklus dann die ersten 5 Tage und im 3. ebenfalls nur 5 Tage.

 

Für die Anwendung der Minus-8-Regel, die die unfruchtbare Zeit am Zyklusanfang ggf. verlängert, benötige ich jedoch 12 erfolgreich ausgewertete Zyklen, die Natural Cycles definitiv nicht vorliegen. Ich selbst weiß außerdem, dass meine früheste 1. höhere Messung bereits an Tag 11 war, was die unfruchtbare Zeit am Zyklusanfang sogar auf 3 Tage verkürzen würde (11-8=3). Daher würde ich mir selbst nie und nimmer die ersten 9 Tage im Zyklus freigeben – zumal an Tag 9 durchaus schon Zervixschleim der Kategorie S vorhanden war. Hier nun meine drei Temperaturkurven (jeweils klicken für Vergrößerung):

 

 

Mir kommt es so vor, als würde Natural Cycles seinen Userinnen gern so viele grüne Tage wie möglich geben, was ja lieb gemeint ist. Doch ich sehe es sehr kritisch gerade Anfängerinnen (denn woher weiß die App, dass ich schon ein alter Hase bin?) so viele unfruchtbare Tage am Zyklusanfang anzuzeigen. Der Eisprung kann sich immer mal nach vorn verschieben, auch bei einem „normalen“, regelmäßigen Zyklus, und dann wäre eine Befruchtung am Zyklusanfang durchaus möglich.

 

Mein Fazit zu Natural Cycles:

 

Natural Cycles

Die Monatsansicht von Natural Cycles

Natural Cycles hat ein schönes Design, ist einfach zu bedienen und wertet regelkonform aus, zumindest nach dem Eisprung. Die unfruchtbare Zeit am Zyklusanfang sollte jedoch dringend nach 5-Tage und Minus-8-Regel verkürzt werden. Hier sehe ich das größte Defizit der App. Darüber hinaus stören mich persönlich die vielen „Toll gemacht“-Nachrichten, auch die Eingabe und Auswertung des Zervixschleims fehlt. Ich bin daher und wie immer ganz ehrlich und muss gestehen: Eine andere, kostenlose oder günstigere Verhütungs-App tut es auch, und zum Teil sogar besser. Zum Abschluss noch der Überblick mit meinen persönlichen Vor- und Nachteilen von Natural Cycles:

 

Vorteile Natural Cycles:

 

  • wertet nach dem Eisprung regelkonform aus
  •  

  • hat ein schönes, benutzerfreundliches Design
  •  

  • das passende Thermometer kann gleich mitbestellt werden (kostenpflichtig)

 

 

Nachteile Natural Cycles:

 

  • keine Anwendung der 5-Tage- und Minus-8-Regel, mir persönlich daher zu unsicher
  •  

  • keine Eingabe und Auswertung des Zervixschleims
  •  

  • nervige, „leistungsbezogene“ Nachrichten
  •  

  • Abo-Modell: ab 5,40 Euro pro Monat

 

Schreib Deine Meinung gern unten in die Kommentare! Oder lies weiter:

 

6 Comments
  • Stefanie
    Antworten

    Hallo Maggie,

    ein schöner neuer Erfahrungsbericht den du da geschrieben hast :).
    Was ich echt doof finde, ist das man bei dieser App den Zervixschleim nicht eintragen kann, sondern nur LH-Tests… aber an sich finde ich die App schon ganz cool.

    Aber ich habe noch eine andere Frage, wie lange hat es bei dir gedauert, bis sich dein Zyklus nach absetzen der Pille wieder eingespielt hatte? Oder hattest du damit gar keine Probleme?
    Mitte Juni ist es bei mir dann schon wieder ein Jahr her und bis jetzt dauert mein Zyklus immer noch mind. 45 Tage, was natürlich nicht so schön ist, wenn man versucht schwanger zu werden, da ich natürlich innerhalb eines Jahres „weniger Chancen“ habe :(.

    Liebe Grüße
    Stefanie

    23. Mai 2017 at 9:49
    • maggie_m
      Antworten

      Liebe Stefanie,

      danke, freut mich, dass Dir mein Bericht gefällt. Ja, mich stört das mit der fehlenden Zervixschleimeingabe auch sehr, und dann natürlich, dass die unfruchtbare Zeit am Zyklusanfang viel zu lang ausfällt. Daher kann ich die App leider nicht guten Gewissens weiterempfehlen.

      Ja, ich hatte auch massive Zyklusprobleme nach dem Absetzen der Pille (siehe hier: http://www.wearetheladies.de/pille-absetzen), und erst nach 1,5 Jahren einen regelmäßigen Zyklus. Normalerweise rate ich nicht dazu, in den Prozess der „Körpererholung“ einzugreifen, wenn Du aber einen Kinderwunsch hast, würde ich Dir den Gang zum Facharzt empfehlen.

      Eventuell wäre Ava noch etwas für Dich, mein Testbericht dazu erscheint am Montag.

      Alles Liebe!
      Maggie

      23. Mai 2017 at 10:04
      • Stefanie
        Antworten

        Hallo Maggie,

        vielen Dank für deine Antwort :).

        Ja ich habe schon mal bei meinem FA angerufen und ich soll zu Beginn meines nächsten Zyklus mal zu einem Hormonstatus vorbei kommen um das ganze beobachten zu lassen.

        Bei Ava habe ich aber gehört, dass diese nichts für längere Zyklen (größer als 35 Tage) ist…oder was meinst du hierzu?

        Liebe Grüße
        Stefanie

        26. Mai 2017 at 10:27
        • maggie_m
          Antworten

          Liebe Stefanie,

          ja, da hast Du recht. Folgendes steht auf der Hersteller-Seite: „Für regelmäßige oder unregelmäßige Zyklen zwischen 24 und 35 Tagen. Nicht für Frauen mit PCOS geeignet.“

          Alles Gute für Dich!
          Maggie

          26. Mai 2017 at 20:22
  • Antonia
    Antworten

    Haben sich Ihre bemängelten Dinge in den nun fast drei vergangenen Jahren verbessert? Haben Sie ein Update parat?
    Vielen Dank, und sehr schöner, informativer Beitrag 🙂

    14. April 2020 at 17:48

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